Mein momentaner Aufenthalt in Paris im Hause des Institut des Hautes Études de Défense Nationale bringt ganz zwangslaeufig eine noch tiefergehende Auseinandersetzung mit der franzoesischen Presselandschaft mit sich, als ich sie ohnehin schon pflege. Folgende Meldung des Blogs “Défense globale” von “La Voix du Nord” vom gestrigen Dienstag, den 10.09.2013, wurde m.E. bislang noch nicht in Deutschland zur Kenntnis genommen:
Der deutsche Staatssekretaer des BMVg, Stéphane Beemelmans, hat in einem Redebeitrag auf der 11e Université de la Défense in der suedwestfranzoesischen Stadt Pau angekuendigt, dass Deutschland und Frankreich auf der Tagung des Europaeischen Rates in Bruessel am 19. und 20. Dezember eine Initiative in Sachen europaeische Verteidigungskooperation auf den Weg bringen wollen. Auf dieser Tagung des Europaeischen Rates stehen ganz allgemein die Themen GASP und GSVP auf der Tagesordnung. Als Hauptaugenmerke der Initiative nannte Beemelmans unter anderem:
- die grundsaetzliche Schaffung einer Vertrauensbasis
- eine Weiterentwicklung des Themas EU-Battle Groups (insb. auch Einsatzmoeglichkeiten derselben)
- mehr Transparenz und Kooperation im Bereich der einzelnen nationalstaatlichen Armeeausrichtungen und -reformen
- die Intensivierung von pooling and sharing
- eine verstaerkte Zusammenarbeit in Sachen cybersécurité
- eine – wie auch immer geartete – Staerkung des innereuropaeischen Marktes fuer die Verteidigungsindustrie
- Komplementaere Aufgabenverteilung zwischen EU und NATO
Beemelmans betonte, dass deutsch-franzoesische Kooperationsprojekte und gemeinsame Initiativen in der Geschichte der europaeischen Einigung immer wieder eine enorme normative Kraft zur Fortentwicklung der politischen Union entwickelt haben. Diese Initiative sei als ein guter Ausgangspunkt fuer die weitere Entwicklung der GSVP zu betrachten. Wie genau die einzelnen genannten Punkte mit Inhalten gefuellt werden koennen, bleibt indes abzuwarten.
Einige Fragen stellen sich mir hinsichtlich einer verstaerkten deutsch-franzoesischen Verteidigungskooperation dennoch: 1) Wie verhaelt sich dies im Hinblick auf den franzoesisch-britischen Vertrag von Lancaster House, der bereits eine Funktion als Motor der europaeischen Verteidigung neben der NATO fuer sich beansprucht und der in seinen inhaltlichen Schwerpunkten bezueglich strategischer und taktischer Interoperabilitaet und Kooperation weiter geht, als dies fuer ein deutsch-franzoesisches Dokument je realistisch waere (siehe auch die Erfahrungen aus Libyen oder Mali)? 2) Besteht momentan ueberhaupt politischer Wille in Europa, sich gestaltend mit Verteidigungsthemen zu befassen; und vor allem auch Geld und Ressourcen in eine europaeische Verteidigung zu investieren (Themenbereich der Staendigen Strukturierten Zusammenarbeit nach dem Vertrag von Lissabon)? 3) Was verspricht sich Frankreich? Der Tenor zu einer Verteidigungskooperation mit Deutschland ist doch meiner Einschaetzung nach eher der, dass Deutschland zwar wirtschaftspolitisch und diplomatisch enormes Gewicht besitzt, aber rein verteidigungspolitisch blockiert ist und wenige verlaessliche Anknuepfungspunkte fuer eine Verteidigungskooperation anbieten kann. Eine Zusammenarbeit im Rahmen von EU-Battlegroups oder auch im DEFRAM findet auf operationeller Ebene zwar regelmaessig statt – dies allerdings bislang noch nie im wirklichen Einsatzszenario.
Man kann jetzt schon gespannt sein auf die Ratstagung im Dezember und die dortige Initiative des couple franco-allemand.